Nicht ganz freiwillig zurück nach Deutschland

Olivier Guez „Heimkehr der Unerwünschten – Die Geschichte der Juden in Deutschland nach 1945“, 356 Seiten, 22,95 €, Piper, ISBN: 978-3492052627;

Deutschland, das Land der Mörder – die Juden als Unerwünschte: Die Unterdrückung der Juden in Deutschland endete nicht mit der Stunde Null und nicht mit dem Bekanntwerden des Holocaust. Doch obwohl sich vor den Nazis geflohene deutsche Juden auch noch nach 1945 in ihrer Heimat unwillkommen fühlen mussten, kehrten einige zurück. Warum sie dies taten, dem widmete der französische Journalist Olivier Guez, der fünf Jahre in Berlin lebte, dieses Buch.

Olivier Guez ist diesem unterschätzten Kapitel der deutschen Nachkriegsgeschichte akribisch nachgegangen, wie es Journalisten sonst selten tun. Er hat mit etlichen Zeitzeugen gesprochen und sich deren Geschichten erzählen lassen. Es sind die Geschichten von den jüdischen DP-Lagern, die es bis Mitte der 50er Jahre überall in Deutschland gab. Die größten waren – ausgerechnet – Bergen-Belsen in der britischen und Föhrenwald (bei Wolfratshausen) in der amerikanischen Zone.

Es ist eine Ironie der Geschichte, dass sich in diesen Lagern jiddisches Leben abspielte, wie es kaum jemand mehr gekannt hatte. Im geschützten Rahmen auf extoritorialem Gebiet, versorgt von mächtigen amerikanischen Hilfsorganisationen und misstrauisch beäugt von der unter Entbehrungen leidenden einheimischen Bevölkerung sollten sich die deutschen Überlebenden des Holocausts erholen. Nicht geplant war der Zustrom vieler tausend Juden aus Polen und aus Osteuropa, die vor den dort noch 1946/47 stattfindenden Progromen geflüchtet waren.

Was Guez‘ Buch lesenswert macht, ist, dass er immer wieder Brücken schlägt ins heute. Und dass er enorm fleissig war in der Recherche. Der Titel „Heimkehr der Unerwünschten“ ist allerdings irreführend, denn die DP-Lager waren keine Heimkehr, sondern Zwischenstation zur Auswanderung nach Israel oder in die USA. Gleichwohl ein Buch, das den Blick erweitert.

Bewertung: ****

Wer mehr wissen möchte, über das DP-Lager Wolfratshausen, dem sei mein eigenes Buch „Ende und Neubeginn“ empfohlen, in dem ich auch auf Föhrenwald eingehe:
Der Rest der Geretteten„.

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