Eine Reise durch ein ganzes Jahrhundert

Hans Joachim Schädlich „Kokoschkins Reise“, 192 Seiten, 17,95 €, Rowohlt, ISBN: 978-3498064013;

Ein komplettes Jahrhundert auf weniger als 200 Seiten, geht das? Ja, Hans Joachim Schädlich ist das gelungen. Er erzählt die spannende Geschichte des Exil-Russen Fjodor Kokoschkin, der im Alter von 95 mit der Queen Mary 2 von Southhampton nach New York fährt und sich seines Lebens erinnert.

Die Geschichte fasziniert. Und obwohl Schädlich ein extrem komplexes Leben erzählt, von der bolschewistischen Revolution bis zu Gerhard Schröder, verliert der Roman nie seine Einfachheit und lakonische Spannung.

Fünf Tage dauert die Seereise. Kokoschkin trifft sich zu den Mahlzeiten immer mit denselben Mitreisenden. Eine zarte Romanze mit einer Deutsch-Amerikanerin bahnt sich an, wir erfahren von Konflikten zwischen anderen Mitreisenden. Wie das auf Schiffsreisen so ist, handelt es sich jeweils um Menschen im fortgeschrittenen Alter, solchen, die was erlebt und was zu sagen haben.

Das ust die eine Ebene dieses famosen Romans. Die andere spiegelt Kokoschkins Reflexion über die Reise, von der er gerade zurückkehrt und auf der er seinem mitreisenden Prager Freund sein Leben erzählt hat.

Die beiden älteren Herren waren in St. Petersburg, wo Kokoschkin als Sohn eines Politikers geboren wurde. Nach der Ermordung des Vaters, ein Opfer der russischen Revolution 1917 flohen Mutter und Sohn erst nach Odessa, dann nach Berlin. Sie geht nach Paris, er nach Prag und in die USA – allesamt Brennpunkte der Weltgeschichte.

Ein Jahrhundertleben, trotz aller Schwere mit zwei Kriegen, mit Flucht , wunderbar leicht erzählt. Ich kann den neuen Schädlich wärmstens empfehlen!

Bewertung: *****


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