Grenzfall – Grenzfälle, und nun ist die Mauer weg

Sylvia Pollex/T.O. Immisch/Olaf Kische (Hrsg.) „Grenzfälle – Falling Barriers“, 160 Seiten, 28 €, Kerber, ISBN: 978-3866783485;

Der 20. Jahrestag des Mauerfalls ist schon eine Zeit vorbei. Doch jetzt ist noch ein Bildband erschienen, der das Ende der deutschen Teilung dokumentiert. Sechs Fotografen haben im Februar 1990 die 1560 Kilometer Grenzbefestigung dokumentiert – von der Ostsee bis zum Dreiländereck. Daraus entstand knapp 20 Jahre später in Berlin die Ausstellung „Grenzfälle“.

Peter Leske, Gerhard Zwickert, Eberhard Klöppel, Bernd-Horst Sefzik, Heinz Dargelis und Werner Schulze hatten sich einige Wochen lang mit der Kamera entlang der ehemaligen „Zonengrenze“ bewegt, in Bereichen, die jahrzentelang streng bewachtes Sperrgebiet waren und kurz nach dem Auftauchen der Dokumentaristen abgerissen wurden.

Dass der Fall der Mauer nicht zufällig genau zu diesem Zeitpunkt geschah, wird aus den Bildern offenkundig. Der Niedergang ist offenkundig, der Zustand des „antiimperialistischen Schutzwalls“ und der Gebäude rundherum desolat.

Allerdings sind die Bilder gespenstisch. Und gerade die Vorher-Nachher-Situationen, etwa in Treptow, wo Bernd-Horst Sefzik die Grenzbefestigungen nebst Wachturm im Abstand von mehreren Wochen fotografierte: Einmal steht im Hintergrund ein Trabbi der Grenzpolizei und ein Stopp-Schild mahnt weiterzufahren, dann radeln Ausflügler zwischen Ruinen. Vom Stacheldraht und der Mauer stehen nur ein paar Pfosten.

Die Mauer am Reichstag, der hundert Meter breite Todesstreifen mitten durch Friedrichshain, all dies sind einzigartige Bilddokumente – fotografiert in schwarz-weiß, konstrastreich, körnig. Wie sich an der thüringisch-bayerischen Grenze die Mauer durch ein liebliche Mittelgebirgs-Landschaft schlängelt und man (ausnahmsweise) mal nicht erkennt, auf welcher Seite ist Osten, auf welcher Westen.

Christoph Diekmann, gebürtiger Brandenburger,  studierter Theologe, dann Journalist und seit 1991 Mitarbeiter der Wochenzeitung „Die Zeit“ schildert in einem Essay, was „drüben“ in seiner Kindheit bedeutet hatte, wie die Menschen in der DDR aufgrund der fehlenden (Reise-)Freiheit „im Kreis lebten“ und dass die Vögel in Berlin zwischen Ost und West wechselten, nur die Menschen nicht. Warum nicht?

Ein beeindruckendes Fotoband, der in einer Reihe steht mit Frank-Heinrich Müllers „East – For the Record“ und Sabine Würichs „Der ferne Osten“.

Bewertung: *****

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