Bernhard Kegel „Der Rote“, 544 Seiten, 22,90 €, Mare-Buchverlag, ISBN: 978-3866480674;
Pottwale kennt jeder, Delfine sowieso. Aber man frage einmal, wer weiß, was Riesenkalmare sind. Und ich wette, bestenfalls jeder Zehnte weiß die Antwort. Dabei gehören die in der Tiefsee beheimateten Kraken zu den intelligentesten Lebenwesen auf unserem Planeten. Einem von ihnen, genannt „Der Rote“, hat Bernhard Kegel seinen grandiosen Roman gewidmet.
Kegel ist promovierter Biologe, und er ist – was unter Wissenschaftlern eher selten ist – ein begeisternder Erzähler. Natürlich wird sein Buch in der Szene sofort mit Frank Schätzings Bestseller „Der Schwarm“ verglichen. Aber das hinkt. Denn hier geht es nicht um eine Verschwörung durch eine obskure Intelligenz am Meeresgrund, hier geht es um wissenschaftlich nachgewiesene Fakten.
Auch hier steht am Anfang ein Tsunami, allerdings ausgelöst durch ein ordinäres Seebeben. Er schlägt die Touristen in Kaikoura auf Neuseeland in die Flucht, zurück bleibt nur der deutsche Forscher Dr. Hermann Pauli, Fachmann für Kalmare. Ihn begeistert, was das Beben aus der Tiefe nach oben bringt: Der Rote, ein Kolosskalmar, eine Tonne schwer und 20 Meter lang.
Er kommt allerdings nicht allein. Nach der Naturkatastrophe, die weite Küstenabschnitte in Neuseeland verwüstet, fürchten die Menschen nun eine Invasion der Kalmare. Lediglich Forscher und Umweltschützer wenden sich mit Messern und Klauen gegen die drohende Massen-Hysterie – und das ist durchaus wörtlich zu nehmen.
Dieses spannende Buch weckt Neugierde – und vor allem Sympathie mit Riesenkraken. Wie um alles in der Welt kann man sich Lebewesen vorstellen, die Eigenschaften von Glühwürmchen, Chamäleon, Papagei, Hai und Schnecke in sich vereinen? Das Terrain ist Tiefsee ist unbekannter als der Mond und uns doch viel näher.
Der aktuelle Streit darum, wem der (bald womöglich eisfreie) Nordpol gehört, beweist, wie nahe wir in Zeiten teurer und knapper Energieträger der Ausbeutung der Tiefsee sind. Immerhin gibt es dort den Energieträger Methan in Hülle und Fülle, auch Erdgas. Hochseefischer stoßen mit ihren Schleppnetzen immer weiter in die Tiefe.
Nach der Lektüre von „Der Rote“ weiß man eine Menge mehr über die geheimnisvolle Tiefsee und man weiß, wie viel man noch nicht weiß – und ist sensibilisert für die Gefahren für das empfindliche Ökosystem Erde. Das ist das eigentliche Verdienst dieses Thrillers – ein weiterer Meilenstein des Marebuchverlags.
Bewertung: ****
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