Auch letzte Mahlzeiten können schmecken

Herbert Rosendorfer „Letzte Mahlzeiten – Die Aufzeichnungen des königlich bayrischen Henkers Bartholomäus Ratzenhammer“, 144 Seiten, 19,90 €, Folio, ISBN: 978-3852565293;

In ihrer letzten Stunde beweisen die Bayern von jeher Humor. Überliefert sind etwa die letzten Worte des Räubers Mathias Kneisl, als er an einem Montag zur Hinrichtung geleitet wurde. „Da fängt die Woche ja gut an“, soll er gesagt haben. Auch der königlich bayerische Henker Bartholomäus Ratzenhammer war ein Mensch mit Humor, und er hatte Kultur, wie die von Herbert Rosendorfer aufgezeichneten „Letzten Mahlzeiten“ beweisen.

Rosendorfer ist längst so eine Art bayerischer Nationalpoet. Geboren vor 77 Jahren in Südtirol, arbeitete der Jurist an verschiedenen Gerichten , lebt nun wieder in Südtirol und hat doch als Münchner Literaturprofessor sein Herz in Bayern. Was sich auch in seinem Werk zeigt: Vorwiegend Bayern, vorwiegend komisch.

So auch sein Ratzenhammer: 17 Biografien samt historischer Fotos hat Rosendorfer gesammelt. All diese Menschen hat zwischen 1901 und 1925 Henker Ratzenbacher ins Jenseits befördert. Er war der letzte seiner Zunft und ein hochgebildeter obendrein, war er doch einige Jahre als Schiffskoch unterwegs und lebte nach einem Schiffbruch mit Kannibalen auf einer einsamen Insel. Als Feinschmecker.

Die Delikte der Leute, die Ratzenbacher ins Jenseits beförderte, sind ungewöhnlich: Walter Micklmauser etwa wird wegen „Zerstörung des guten Geschmacks“ hingerichtet, Jurtik Dschassakosak dagegen für „fahrlässige Majestätsbeleidigung“. Und Prof. Dr. Petronius Schlotterweiß schrieb eines der meist weggeworfenen Bücher seiner Zeit.

Ein echter Rosendorfer also, zum Schießen komisch und doch immer auch nicht ganz unernst. Dieser allerdings hat sogar noch großen Nutzwert: Die Rezepte der Letzten Mahlzeiten. Sie stammen von dem Südtiroler Sterne-Koch Herbert Hintner und verdienen es nachgekocht zu werden. Wie es der Zeit entspricht, sind sie nicht überkanditelt.

Genauso wie die letzte Mahlzeit, die sich der Autor selbst in einem Interview gewünscht hatte: „Fritattensuppe, Naturschnitzel mit zwei Eier darauf, geröstete Kartoffel ohne Zwiebel, und da ich nichts Süßes mag, hätte ich als Nachspeise gerne Käse, aber keinen Ziegenkäse, sondern weichen Kuhkäse und einen Lagrein dunkel dazu.“

Ein Muss für Rosendorfer-Fans und ein Schmankerl für all jene, die ihn noch nicht kennen.

Bewertung: *****

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