Gerüchte entscheiden über Leben und Tod

Ismail Kadare „Ein folgenschwerer Abend“, 200 Seiten, 19,95 €, Ammann, ISBN: 978-3250600497;

Dieses Buch ist jetzt schon antiquarisch: Der Schweizer Ammann-Verlag hat nämlich Mitte des Jahres den Betrieb eingestellt. Schade, Wieder ist ein Verlag weg, der Kostbarkeiten wie dieses albanische Kriminalstück herausbrachte.

Kadare, bekannt geworden durch den Roman „Der Nachfolger“ beleuchtet hier eine Episode aus dem Zweiten Weltkrieg: Im September 1943, die Deutschen haben den Balkanstaat besetzt, wird deren Kommandant in der südalbanischen Stadt Gjirokastra zum Abendessen eingeladen.

Sein Gastgeber, der Arzt Gurameto, glaubt, in dem Stadtkommandanten einen ehemaligen Studienkollegen erkannt zu haben und will ihn nun davon abhalten, Geiseln erschießen zu lassen. Er hat Erfolg.

Zehn Jahre später erfährt der Arzt solche Hilfe nicht. Das nun herrschen kommunistische Regime inhaftiert den Mann. Man verhört ihn, foltert ihn, bringt ihn um – ohne Anklage.Angeblich hatte er 1943 mit den Deutschen kollaboriert. Das Abendessen, es war „ein folgenschwerer Abend“. Aber wie war’s wirklich?

Der 74-jährige Kadare, der als bedeutender Dichter unter Enver Hodscha ungeahnte Freiheiten hatte und dem seine Kritiker Nationalismus vorwerfen, hat eine mythenreiche Geschichte aus dem Land der Skipetaren geschrieben und eine Geschichte über die Absurdität diktatorischer Wahnvorstellungen.

Kadare gelingt es, in einzelnen Sätzen ganze Welten entstehen zu lassen. „Angeblich brachten in dunklen Nächten schon die Lichter der Stadt, obgleich nur blässlich in der Ferne flimmernd, das Blut der Lazaraten so in Wallung, dass sie ihre Gewehre darauf abfeuerten“, heißt es da zum Beispiel über zwei verfeindete Nachbarorte.

Bewertung: *****


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