Das Leben als seltsames Höhlensystem

Svealena Kutschke „Etwas Kleines gut versiegeln“, 294 Seiten, 19,90 €, Wallstein, ISBN: 978-3835304796;

Kutschke

Die Generation Praktikum zeigt Gefühle. Svealena Kutschke, Jahrgang 1977, fächert ein buntes Panoptikum auf, über globalisierte Hedonisten, die in den Tag hineinleben und sich ihren Irrungen und Wirrungen hingeben und das in einer Sprache, die Chaos und Hilflosigkeit sogar im Satzbau wiedergibt. Neugierig? Zu Recht!

Diese Art von Bekenntnisliteratur ist sicher gewöhnungbedürftig. Lisa ist – naja – eine Göre (soll nicht despektierlich klingen), die nach dem Verlust ihres Freundes „B.“ ihr Fotografiestudium hingeschmissen hat und nach Australien abhaut, wo sich Marc, der Ex-Freund ihres Bruders um sie kümmert.

Er sorgt für die äußere Struktur, für die innere hat sie zwei Begleiter, einen Teddybären, eine kleine Holzfigur namens „Sudden Smith“ (der immer alles weiß) und ein Buch von Fischli & Weiß mit den Fragen des Lebens: „Findet das Glück“ mit der entscheidenden Frage „Ist das Leben ein seltsames Höhlensystem?“.

Sucht Lisa überhaupt nach dem Glück? Sie kellnert in einer Imbissbude, sie kokst und wirft Pillen ein, und sie vögelt mal hier, mal dort. Eine Frau taumelt auf Sinnsuche durchs Leben. Ein Kuddelmuddel, das seinen Höhepunkt hat, als Lisa auf der Straße ein Foto findet, das sie in einem Café zeigt, in dem sie nie gewesen ist. Alles klar?

Natürlich nicht. Gar nichts ist klar in diesem ungewöhnlichen Roman voller sprachlicher Volten. Mit Mora, die Bartstoppeln hat und sie an „B.“ erinnert, geht sie auf Reisen. Und wie jegliche Realität verschwinden  bei diesem Trip auch die Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Nicht die Handlung zieht ein in Bann, also nicht das Was, sondern das Wie – Sprache folgt hier der Lebenslust der Irrenden.

Ein Buch für die RTL2- und MTV-Generation. Dieses Feuerwerk der Metaphern braucht schon packen. Und es bestätigt die These, dass die geistige Pubertät sich in unserer komplexen Zeit immer mehr nach hinten verschiebt. Merke: Mit Mitte 20 ist man frau noch lange nicht erwachsen.

Bewertung: ****

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