Welche Schwester ist eigentlich die verrückte?

Franziska Sperr „Das Revier der Amsel“, 224 Seiten, 19,90 €, Fahrenheit, ISBN: 978-3940813121;

Kein heiteres Buch: Zwei Schwestern. Klara, die eine, lebt in München in der Psychiatrie, Sonja, die andere, mit Familie in Wien. Jede von ihnen hat einen anderen Weg gefunden, mit den Verletzungen des Lebens umzugehen, mit Lügen und Vertuschungen. Und dann gibt es noch einen Lieblingsonkel mit Geheminissen, einen altersdementen Vater und ein entführtes Kind.

Franziska Sperr (59) lebt an einer der schönsten Ecken Deutschlands. Nein, Berg ist zweifellos der schönste Flecken. Wie man sich dort eine so morbiden Geschichte ausdenken kann, nun ja. Ist „Das Revier der Amsel“  ein Psychothriller, ein Familienroman, eine Schauergeschichte? Irgendwie alles.

Jedenfalls ein beachtlicher Debütroman der Ehefrau von SPD-Vordenker Johano Strasser, der sich gerade mit dem Provinzroman „Bossa Nova“ auf ein ganz anderes Feld begeben hatte. Mit viel Sprachgefühl und Ruhe  formuliert Sperr und schafft so unglaubliche Authenzität.

Es geht nur um einen Tag, den 42. Geburtstag Klaras. Nach einer Kindesentführung wurde sie in die Psychiatrie eingeliefert und wartet dort – vergeblich – auf Glückwünsche. Die kommen nicht einmal von ihrer Schwester Sonja. Die ist zwar an diesem Tag auch in München, weil sie das Elternhaus verkauft hat.

Der Handel zieht sich aber und so schenkt sie sich den Besuch bei ihrer Schwester. Auf dem Rückweg gibt sie nur eben an der Klinikpforte Klaras Sachen ab. Wie erniedrigend, weiß doch Klara nicht mal, dass ihre Schwester das Haus verkauft.

Aber so war es immer in der Kindheit der zwei Schwestern Eine musste immer zurückstehen, die andere flüchtete sich in Verdrängung und Selbstbetrug. Und doch ist das Leid der einen nicht größer als das der anderen. Und am Ende dieser Erzählung weiß niemand mehr, welche der Schwestern eigentlich die verrücktere ist.

Ein Roman aus der Mitte der Gesellschaft.

Bewertung: *****

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