Eine Geschichte von Leben und Tod

Michael Kleeberg „Das amerikanische Hospital“, 240 Seiten, 19,95 €, DVA, ISBN: 978-3421043900;

1991, zwei Menschen, deren Lebensläufe unterschiedlicher kaum sein könnten, begegnen sich in einem Pariser Krankenhaus: Hélène, Mittelstands-Französin, deren sehnlichster Wunsch es ist, endlich ein eigenes Kind zu haben, und David, ein amerikanische Soldat, der die Bilder des Grauens im ersten Irakkrieg nicht verdrängen kann. Keine Liebesgeschichte, eine Erzählung über Leben und Tod.

Eigentlich mag Hélène Soldaten nicht. „Soldaten sind Mörder“, das ist die Überzeugung der wohlstandssaturierten gelernten Innenarchitektin. Und David, der studierte Literaturwissenschaftler erzählt ihr zunächst auch nichts vom Irak und von seinem Arbeitgeber US-Armee.

Der Fötus aber, erzeugt durch künstliche Befruchtung, will sich einfach nicht festsetzen bei Hélène. Deren Verzweiflung steigt mit jedem Krankenhausaufenthalt. Genauso wenig wird David seine Dämonen los und muss regelmäßig zu neuen Therapieversuchen in das Amerikanische Hospital.

Anfangs ist es die Liebe zur Lyrik von Elizabeth Bishop, die sie zusammenführt. Später ist es der Austausch über die Mühsal des Lebens an sich. Und so halten sich die beiden Ertrinkenden in langen Gesprächen und Spaziergängen fünf Jahre lang gegenseitig über Wasser bis zur finalen Entscheidung…

Leichtfüßig kommt die Geschichte daher, auch wenn sie inhaltlich so schwer ist. Kleeberg versteht es wie kaum ein anderer deutscher Autor, seine Protagonisten reden zu lassen, anstatt aus der Erzählerperspektive zu berichten. Das wird nie banal, und die Geschichte hält das Tempo. Beeindruckend.

Dabei hat Kleeberg intensiv recherchiert. Dass er in Paris gelebt hat, erschließt sich aus der profunden Ortskenntnis. Aber er hat auch genau Bescheid über die Chancen und die Probleme der In-vitro-Fertilisation recherchiert und über die Erlebnisse amerikanischer Soldaten im Irak: über tote Kinder, „Friendly Fire“ und den Garten Eden.

Ein schmaler Roman mit großer Tiefe

Bewertung: *****



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