Im Sonnenschein gibt’s keinen Sonnenschein

Christian Kracht „Ich werde hier sein im Sonnenschein und im Schatten“, 192 Seiten, 16,95 €, Kiepenheuer & Witsch, ISBN: 978-3462040418;

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So hätte es auch passieren können. Oder nicht. Wir befinden uns in einem scheinbar nicht enden wollenden Krieg totalitärer Systeme: Hier die von Lenin begründete Schweizer Sowjetrepublik (SSR), im Norden ein Bündnis von Deutschland und England, im Süden Italien – allesamt Faschisten. Und alle irgendwie verbündet mit dem Rest der Welt. Sogar mit Malawi.

Ja mit Malawi, diesem in unserer Realität so bitterarmen Land in Afrika. In Krachts famoser Erzählung aus einer fiktiven und doch gar nicht so unglaubwürdigen Welt kommen ist Malawi ein wichtiger Verbündeter der SSR. Auch der Ich-Erzähler kommt von dort, ein Parteikommissär aus Nyasaland, ausgebildet, indoktriniert und auf Linie gebracht  in Schweizer Militärakademien.

In dem dünnen Büchlein mit dem seltsamen Titel berichtet er über einen Auftrag, nichts Großartiges: Er soll Brazhinsky finden und eliminieren, einen Kollegen, der die gute Sache verraten hat. Dafür muss er ins Reduit, eine archaich wirkende, halb verrostete Alpenfestung, die Schweizerische Fluchtburg gegen die Invasoren, die auch Bomben werfenden Luftschiffen trotzt.

Es ist nicht die Geschichte, die fasziniert, es ist die Sprache des einstigen Zeitgeist-Redakteurs („Tempo“)  Christian Kracht. Wie er in einer seltsam altmodischen Erzählweise quasi mit wenigen Federstrichen ein ganzes Universum zeichnet. Eine Welt, ungemütlich, furchtbar, rückständig, in der die Zivilisation völlig außer Kontrolle geraten ist.

Was wäre wenn? Wenn Lenin 1917 nicht zurück nach Russland gegangen, sondern im Schweizer Exil geblieben wäre. Wenn er hier in die Politik eingestiegen wäre. Es ist Wahnsinn, sich so etwas auszumalen, und dieser Wahnsinn spricht aus Krachts Roman, der gespickt ist mit politischen Anspielungen, mal reaktionär, mal grundlegend human.

Ein faszinierendes Gedankenexperiment, noch dazu in einer außerordentlichen Sprache. Unbedingt lesen!

Bewertung: *****



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