Bei solchen Probleme helfen nur Humor und Wissen

Kaum eine Branche verändert sich im Moment so schnell wie der Journalismus. Zeitungen gehen, neue digitale Angebote kommen. Dazu gibt’s ein paar interessante Neuerscheinungen und zwei Lehrbücher.

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Michael Haller „Brauchen wir Zeitungen“ (Halem);
Michael Fleischhacker „Die Zeitung“ (Brandstätter);
Constantin Seibt „Deadline“ (Kein & Aber);
Dirk von Gehlen „Eine neue Version ist verfügbar – Update: Wie die Digitalisierung Kunst und Kultur verändert“ (Metrolit);
Dennis Eick „Digitales Erzählen – Die Dramaturgie der Neuen Medien“ (UVK);
Nea Matzen „Onlinejournalismus“ (UVK);

Lesen Sie mehr:

Michael Haller „Brauchen wir Zeitungen“, 248 Seiten, 18 €, Halem, ISBN: 978-3869620985;

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Der Titel ist die pure Polemik. Na gut, warum nicht, dadurch wecken Journalisten Interesse. Dass Michael Haller, ehedem Spiegel-Korrepondent und viele Jahre Journalistik-Professor in Leipzig, (Regional-)Zeitungen grundsätzlich mal für unverzichtbar hält, hat er oft genug festgestellt.

Heute nun, in einer Zeit, in der selbst die FAZ den Niedergang der Zeitung beklagt und selbst bei den selbstgerechtesten Journalisten angekommen ist, dass nicht das Internet Ursache der Probleme ist, gewinnen Hallers Studien an Relevanz. Er fordert nämlich schon seit langem eine andere Form des Journalismus, weg vom üblichen bräsigen, autoritätsgesteuerten Bratwurst-Journalismus vergangener Jahrzehnte.

Der deutsche Lokaljournalismus hat sich vielfach entbehrlich gemacht, weil er die Leser nicht mitnimmt, sondern im eigenen Saft schmort und irrelevant ist. Der Unterschied zu früher ist: Jetzt gibt es Internetangebote, die die entstanden Lücken füllen. Manche Zeitungen sehen auch noch so altmodisch aus wie vor 50 Jahren, und das in einer Zeit, die von Bildern geprägt ist.

Insgesamt zehn Gründe führt Haller an. Das meiste ist richtig, manches diskussionswürdig. In jedem Fall ist das Buch Pflichtlektüre für Journalisten.

Bewertung: *****

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Michael Fleischhacker „Die Zeitung“, 208 Seiten, Brandstätter, 19,90 €, ISBN: 978-3850336550;

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Eine Pflichtlektüre für Journalisten ist Fleischhackers Nachruf auf die Zeitung nicht. Interessant ist das Buch des langjährigen Chefredakteurs von „Die Presse“ in Österreich dann eher für interessierte Laien. Denn drei Viertel des Buchs sind eine nacherzählte Geschichte der gedruckten Zeitung und der Entwicklung der Pressefreiheit.

Fleischhacker, der angeblich den angeblich geplanten Österreich-Ableger der Neuen Züricher Zeitung aufbauen soll, ist der Meinung, dass das Prinzip Zeitung am Ende ist. Die Überlebenschance des professionellen Journalismus sei der Dialog mit den Lesern – um das zu wissen, muss ich mir dieses Buch allerdings nicht kaufen. Auch die Zeitung als nicht zielgruppenspezifisches Medium hat keine Perspektive, meint der Autor. Nun, auch das hat man schon vielfach gelesen. Ist in Zeiten der immer stärker sich fragmentierenden Gesellschaft ja auch irgendwie eine Binse.

Ein verzichtbares Buch. Vielleicht sollte ich auch mal so was schreiben.

Bewertung: ***

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Constantin Seibt „Deadline“, 320 Seiten, 24,90 €, Kein & Aber, ISBN: 978-3036956855;

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Dieses Buch macht Vergnügen. Ok, Preof. Haller mag Constantin Seibt nicht. Er prügelt ihn als „Propheten des irgendwie neuen Journalismus“. Warum? Keine Ahnung. Klar ist der Journalist des Züricher „Tagesspiegel“ irgendwie blasiert. Aber irgendwie zieht diese Masche auch. Vor allem, weil sich der Schweizer so herrlich nicht selbst ernst nimmt. Dieses Sich-nicht-wichtig-nehmen durch Koketterie mit den eigenen Befindlichkeiten lies sich nicht nur sehr schön locker, es offenbart auch eine bei Journalisten nicht so häufige Eigenschaft: Selbstironie.

Seibt schreibt darüber, warum gute Einfälle selten neu sind, er fordert auf, alles ganz anders zu machen und er schreibt immer wieder übers Scheitern. Und Stil, ja Stil ist ihm ganz wichtig. Wo Haller sehr ernst die Fehler und Probleme der Branche beschreibt, wendet sich Seibt mit viel Humor an die, die was ändern können, die Journalisten. Ein Thema, zwei Perspektiven. Tatsächlich ergänzen sich beide Bücher aufs feinste.

Bewretung: *****

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Dirk von Gehlen „Eine neue Version ist verfügbar – Update: Wie die Digitalisierung Kunst und Kultur verändert“, 144 Seiten, Metrolit, 12,99 €, ISBN: 978-3849303259;

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Dirk von Gehlen ist ein Journalist der nächsten Generation. Würde jedenfalls Michael Haller so formulieren, denkte ich. Der Social-Media-Chef von Süddeutsche.de geht in seiner Zukunftsbetrachtung vor allem darauf ein, wie die Digitalisierung und die Allgegenwärtigkeit von Kopien die Kunst und unsere Kultur verändern. Dazu gehört natürlich auch, das er dieses Buch per Crowdfunding finanzierte und seine Unterstützer am Prozess des Schreibens teilhaben ließ.

So ist nicht das Endprodukt am wichtigsten, sondern der gesamte Prozess dorthin, an dem die Leser teilhaben können, für den sie Vorschläge machen, bei dem sie aktiv beteiligt sind. Der Künstler oder in dem Fall der Autor wird zum Moderator. Er führt die Diskussion und nutzt das Wissen des Schwarms. „Ich möchte die Tür öffnen für neue Kimabedingungen“, sagt Gehlen im Interview mit dem Nordbayerischen Kurier. „Wissen verschwindet nicht, es verändert sich.“

Lesenswert!

Bewertung: *****

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Dennis Eick „Digitales Erzählen – Die Dramaturgie der Neuen Medien“, 252 Seiten, 24,99 €, UVK, ISBN: 978-3867644006;

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Mit dem Journalismus ändert sich auch die Art des Erzählens. Diese – eigentlich einfache – Erkenntnis bereitet gelernten Printjournalisten das meiste Bauchweh. Anders erzählen in Videos, E-Books, Webserien, transmediale Stories – wie geht das? Dennis Eick, freier Journalist und Dozent an den Unis Köln und Düsseldorf, liefert mit diesem Lehrbuch viele praxisnahe Tipps.

Gerade Printjournalisten ist die Unterschiedlichkeit analoger und digitaler Kanäle nicht klar. Sie schreiben für print und schieben diese Texte dann einfach so nach Online. Jetzt machen sie Onlinejournalismus, glauben sie jedenfalls. Dass sich im Digitalen viele neue Chancen ergeben, andere Formate auszuprobieren, Texte, Audifiles und Videos miteinander zu verknüpfen, um so Geschichten bekommen, die mehrere Sinne ansprechen, ist zwar bekann, wird aber selten gemacht.

Dieses Buch bringt Grundlagen, aus allen Bereichen, auch Viral Spots und Gaming. Autor Eick hat viele Experten befragt und lässt diese in Interviews zu Wort kommen. Und natürlich gibt es einen Blog mit Links und Videos zu den diskutierten Themen. Leider wird hier vom Verlag die Chance vertan, auch mal zu aktualisieren. Print-Denke eben.

Bewertung: ****

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Nea Matzen „Onlinejournalismus“, 156 Seiten, UVK, 14,99 €, ISBN: 978-3867643313;

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Na gut, das ist jetzt so das Anfängerbuch. Für die, die was mit Medien machen wollen und gerne im Internet unterwegs sind und gelesen haben, dass Onlinejournalismus immer wichtiger wird. Hier erklärt die tagesschau.de-Redakteurin Matzen alles, was man wissen muss, sehr übersichtlich und von Anfang an. Kapitel 1, Satz 1: „Das Internet verändert den Arbeitsalltag fast aller Journalisten.“ (fast?)

Es geht um PI und dpi, um Layout, Satzlängen und das richtige Teaser-Schreiben und um die verschiedenen digitalen Darstellungsformen. Ein schönes Handbuch für alle, die selber publizieren möchten, also nicht nur für Journalisten.

Bewertung: ****

 

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