Die ganze Menschheit in einem Band

Georg Brunold „Nichts als die Welt – Reportagen und Augenzeugenberichte aus 2500 Jahren“, 608 Seiten, 85 €, Galiani Berlin, ISBN: 978-3869710013;

Seit bald 15 Jahren wünsche ich mir englische Schuhe aus Pferdeleder, solche, die ein ganzes Leben halten. Bisher konnte ich sie mir nicht leisten. Es gibt auch Bücher fürs Leben. „Nichts als die Welt“ ist so eines. Mehr noch, es ist „ein Eingang zur Welt“, wie es im Klappentext unter Bezug auf Stefan Zweig heißt. Mit dem kiloschweren Schmöker ist dem neuen Berliner Verlag Galiani ein großer Wurf gelungen.

„Reportagen und Augenzeugenberichte aus 2500 Jahren“ heißt der Untertitel dieser Sammlung von Texten aus allen Zeiten und aus der ganzen Welt. 154 Autoren hat der in Nairobi lebende Schweizer Reporter Georg Brunold versammelt und sich damit einen Jugendtraum erfüllt. So nennt es der eingefleischte Fan von Egon Erwin Kischs Reportagen in einem Interview.

Obwohl als Reporter auf Aktualität getrimmt, setzt Brunold mit diesem Buch, das jeden Cent der 85 Euro wert ist, auf Entschleunigung und verknüpft anerkannt zeitlose  Texte aus der Antike von Herodot, Platon und anderen mit klassischer Literatur etwa von Heine, Stendhal und Tschechow und modernen Reportagen von Norman Mailer, Thimothy Garton Ash und Hans Magnus Enzensberger.

Ein einzigartiges Buch, das Brunold dank vielfältiger Unterstützung verwirklichen konnte. Es ist so eine Art Wissenschatz der Welt, in dem sich sogar Texte finden, die es bisher nicht auf Deutsch gab, etwa der Reportage von „New Yorker“-Reporterin Janet Flanner über „Hitlers Stimmbänder“ (1936). Dazu hat Daniel Schwartz, Autor des ähnlich monumentalen „Schnee in Samarkand“ , zwölf schwarz-weiße Fotoreportagen gestellt.

Und wer sich über so viel Belesenheit wundert, dem hilft Brunold noch mit der 80-seitigen „Bibliothek des Reporters“ aus. Der einstige Chef der Schweizer Kulturzeitschrift „DU“ nennt die Zusammenstellung seiner 230 Lieblingsbücher ganz treffend einen „Werkzeugkasten“.

Gottlob, und da ist dieses Buch der Beweis, ist Universalwissen auch in Zeiten des Internets noch von dieser Welt. Wunderbar!

Nur eins bleibt anzumerken, abends im Bett lesen ist nicht.  Gefragt ist die klassische Sitzhaltung und ein stabiler Tisch. Aber das ist wirklich der einzige Haken.

Unbedingt kaufen!

Bewertung: *****




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2 Gedanken zu „Die ganze Menschheit in einem Band

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