Und der Geist siegt am Ende doch

Hans-Jürgen Jakobs „Geist oder Geld – Der große Ausverkauf der freien Meinung“, 240 Seiten, 18 €, Pendo, ISBN: 978-3866121584;

Der Qualitäts-Journalismus ist auf den Hund gekommen, in Deutschland und weltweit. Geld regiert die Welt der Medien. Die Gier hat auch die Nachrichten-Branche erfasst: Es geht um die Jagd nach Rendite, nicht um die nach exklusiven Informationen. Die Konsequenzen tragen die Leser/Seher/Nutzer (Bürger) – und die Demokratie.

Hans-Jürgen Jakobs gehört zu den Alpha-Journalisten in Deutschland. Der studierte Volkswirt war Wirtschaftsredakteur, Spiegel-Reporter, Chef der Medienseite der SZ und leitet heute Sueddeutsche-Online. Er weiß also, wovon er spricht, wenn er den „großen Ausverkauf der freien Meinung“ beklagt.

Beim Privatfernsehen sind die Experimentierfreude, die Innovation und das Qualitätsstreben der Anfangsjahre längst verschwunden. Von wegen „Verlegerfernsehen“, SAT 1 ist längst in die Arme von Heuschrecken gefallen. Und da zählt nur noch die Renditesteigerung – Gier!

Die Zeitungsbranche steht in den USA kurz vor dem kollektiven Ruin. Die meisten großen Medienhäuser sind in Händen branchenfremder Investoren. Deren Motiv: Rendite! Aber auch die anderen leiden unter Leserverlust und Anzeigenschwund. Die Renditen fallen auf normale Margen, zehn Prozent und weniger. Die erfolgsverwöhnte Branche kollabiert.

Ganz so ist es in Deutschland nicht, aber die Trends sind unverkennbar. Die Manager an der Spitze der Medienhäuser sparen an den Redaktionen. Sie sparen an der Qualität und sparen sich förmlich zu Tode. Denn im Wettbewerb mit den neuen (Internet-)Medien können die traditionellen Massenmedien nur überleben, wenn sie Qualität anbieten – mehr als bisher.

In seinem 200-seitigen Parforceritt durch die Situation der Medien lässt Jakobs nichts aus, argumentiert scharf und kommentiert couragiert. Mit den Medien ist’s so wie mit dem Klimawandel. Noch ist Zeit das Ruer rumzureißen, aber es bedarf eines Umdenkens (Mediengebühr statt GEZ) kreativer Konzepte (Stiftungsmodelle) und eines baldigen Einstiegs (Qualitätsdebatte).

Die Zeitung, so Jakobs Überzeugung, wird es auch Ende des 21. Jahrhunderts geben, aber sie wird dünner, elitärer und teurer sein. Die digitale Revolution umfasst bei den Nachrichten die schnelle Neuigkeit, für Hintergründiges ist nach Meinung des Online-Chefredakteurs das Medium weniger geeignet. Und der Amateurreporter ersetzt niemals den professionellen Journalisten.

Web-Nerds werden sagen: Typisch für einen Vertreter der Holzmedien. Sie läuten schon lange das Totenglöckchen für die Zeitung. Und doch hat Jakobs recht. Aber – wer sagt das schon? Ich lebe von meiner Tätigkeit als Printjournalist und betreibe Online als Hobby.

Für Leute, die sich auskennen, bietet Jakobs nichts wirklich Neues. Politikern und politisch Interessierten könnte dieses Buch allerdings in vielerlei Hinsicht die Augen öffnen.

Bewertung: *****

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