Die Paranoia einer ganzen Gesellschaft

Susan Choi „Reue“, 480 Seiten, 19,90 €, Aufbau, ISBN: 978-3351032395;

Es gibt viele Deutungen dessen, was in Amerika (und auch in unserem Land) nach dem 11. September geschah, wie Bürgerrechte zugunsten von Sicherheitsinteressen eliminiert wurden. Die amerikanische Autorin Susan Choi ist einen höchst literarischen Weg gegangen. Sie schildert die Irrungen und die Paranoia einer ganzen Gesellschaft anhand eines einzelnen Menschen.

Im Zentrum steht ein Mathematik-Professor namens Lee, ein Durchschnitts-Akademiker an einer Durchschnitts-Uni in einer durchschnittlichen amerikanischen Stadt. Als junger Mann war er aus Ostasien eingewandert, jetzt ist er über 60. Das genaue Gegenteil zu ihm ist sein Kollege Hendley: Jung, erfolgreich und äußerst beliebt.

Da detoniert eine Briefbombe in Hendleys Zimmer, tötet den Professor. Bei den Ermittlungen gerät Lee ins Visier. Klar, er mochte den Kollegen nicht, beneidete ihn, wünschte ihm sogar heimlich den Tod. Aber ist er ein Mörder?

Was klingt wie ein Kriminalroman, ist eine Parabel über Vorurteiel und den Umgang mit Minderheiten: Lee wird, ohne dass es konkrete Verdachtsmomente gibt, ins gesellschaftliche und berufliche Abseits gedrängt. Das FBI schließt ihn sogar an einen Lügendetektor an  – und das, obwohl Lee selber fast zum Opfer geworden wäre. Schließlich war sein Büro nur eine Tür weiter.

Lee sucht daraufhin auf eigene Faust den Mörder, einen Verdacht hat er. Diese Reise wird auch eine Reise zu sich selbst, zu seinen Fehlern und Versäumnissen. Er erkennt zum Beispiel, warum ihn seine inzwischen verstorbene Frau ihn verließ.

Ein vielschichtiges Buch: Eine Familiengeschichte, die gegen Ende zu immer vertrackter wird, eine Parabel über eine Gesellschaft, die einst als multikulti berühmt war und nun alles ablehnt, was nicht „normal“ ist und nicht zuletzt eine spannende Kriminalgeschichte.

Susan Choi, Jahrgang 1969, Gewinnerin wichtiger Literaturpreise, nominiert für den Pulitzerpreis, wird nicht zu Unrecht in einem Atemzug genannt mit Philip Roth und Don DeLillo ist eine Autorin mit großer Zukunft und lirerarischer Tiefe. Ihr Roman beginnt langsam und kommt dann in Fahrt. Ihr Stil ist nicht einfach, und die Übersetzung – das ist der einzige Tadel – nicht immer grandios.

Lesen!

Bewertung: *****

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