Keine Liebeserklärung an das alte Berlin

Wolfgang Hermann „Konstruktion einer Stadt“, 112 Seiten, 14,90 €, Limbus, ISBN: 978-3902534279;

Konstruktion_Stadt

So dünn dieses kleinformatige Büchlein ist, so schwer habe ich mich damit getan. Die Beliebigkeit und Lakonie der Westberlin-Betrachtungen des Vorarlberger Autors Wolfgang Hermanns ist mir einfach nur auf die Nerven gegangen. Aus diesen Allerweltsformulierungen einen tieferen Sinn zu entwickeln, das, tut mir leid, ist mir trotz guten Willens nicht gelungen.

„Jetzt, im Winter, ist es sehr dunkel hier in der Stadt. Die Stadt liegt weit im Norden, und im Norden fehlt im Winter das Licht. Du würdest nicht glauben, wie dunkel es hier am Morgen ist, wenn du eben erst deine Zipfelmütze vom Kopf genommen hast. Es weht immer ein Wind in den kahlen Bäumen und alle Menschen haben Sehnsucht …“

So beginnt – ziellos ausgewählt – eine dieser Kleinstgeschichten: Nicht Prosa, nicht Poesie, was eigentlich? Exaltierte Beobachtungen eines adoleszierenden Jung-Schriftstellers?

Oder wie er über den Elefanten im Zoo schreibt: „… an hinter- und Vorderfüßen angekettet, wippt er nach vor und zurück. Er ist alt wie Stein. Vor den Augen der Zoobesucher wird er niemals sterben. Er schließt seine Augen, den Ort des Sterbens zu suchen.“ Das empfinde ich als Kitsch, hochgeistigen vielleicht, aber deswegen trotzdem Kitsch.

Immerhin, das Büchlein hat mich so verwirrt, dass ich im Netz nach anderen Rezensionen suchte. Die meisten sind – tatsächlich -sehr positiv, sehr angetan – klar, der Autor ist gelernter Philosoph, und darum darf er sich auch so ausdrücken, dass nichts bleibt und darf im Sphärisch-Unbestimmten verharren. Man ist ja als Kritiker  auch intellektuell.

Oder aber die Kollegen Rezensenten geben sich in ihrer Ratlosigkeit keine Blöße und machen das Beste daraus – wie Peter Wawerzinek von der in Berlin erscheinenden „Jungen Welt“:

„Viel mehr ist von Berlin nicht zu erzählen. Viel mehr war auch nicht los in Berlin, als noch die Mauer stand. Wer Gegenteiliges behauptet, belügt sich. (…) Ein Buch wie eine Anleitung, es kurz durchzulesen und mit auf die Flaniermeilen zu nehmen, um Teil zu werden der Konstruktion, Bestandteil, Ansichtssache. Man muß das Buch schon aufmerksam lesen, um es als einen Berliner Kurzbericht zu deuten.“

Mag sein, dass mir diese Aufmerksamkeit gefehlt hat. Ich glaub’s aber eigentlich nicht. Schade um die Zeit.

Bewertung: **

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