Wenn der Postmann einmal monatlich klingelt

Martin von Arndt „Der Tod ist ein Postmann mit Hut“, 200 Seiten, 17,90 €, Klöpfer & Meyer, ISBN: 978-3940086372;

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Es hat schon einige zehn Seiten gedauert, bis ich warm wurde mit diesem Roman. Aber dann! „Ah, look at all the lonely people“, diese Zeile aus der Beatles „Eleanor Rigby“ ist dem Buch vorangestellt, und sie ist der Schlüssel zum Verständnis. Einsame Menschen sind das Thema dieser ernsthaft-komischen Geschichte.

Julio, 40 Jahre alt, bekommt an jedem ersten Mittwoch im Monat einen Einschreibebrief. Inhalt: Ein leeres Blatt Papier. Und auch das Übergaberitual ist immer das gleiche. Der Postmann lässt auf seinem Terminal unterschreiben und bekommt dann einen Schnaps. Das einzige, was sich ändert, ist die Stadt, in der das Einschreiben abgeschickt wurde – jedes Mal eine andere österreichische Provinzstadt.

Julio ist ein Verlierer. Der Deutsche studierte Musik und lebt davon, Hintergrundmusik einzuspielen für chinesische Fast-Food-Restaurants. Er lebt in Scheidung, ist orientierungs- und perspektivlos.

Auch der pensionierte Chefinspektor Koloman, ein Nachbar Julios, ist so ein Verlierer. Alleinstehend, korpulent, krank und im Beruf immer wieder an den kniffligsten Fällen gescheitert, soll er Julio helfen, den geheimnisvollen Briefversender zu entlarven.

Die beiden einsamen Männer finden sich. Koloman muss sterben, das ist von vorneherein klar, aber vorher noch bringt er Julio auf Trab. Die Geschichte ist in Innsbruck angesiedelt, was ihr noch einen zusätzlichen provinziellen Drive gibt.

Dazu gibt es noch eine Geschichte in der Geschichte, das Vernehmungsprotokoll eines Verbrechens, das Koloman bearbeitet hatte und jetzt Julio zum Lesen gibt. Wieder so eine Verlierergeschichte …

Ist das Buch mit dem originellen Titel nun ein Krimi? Nein! Was dann? Keine Ahnung, es ist unterhaltsam geschrieben. Manchmal verliert sich der sprachlich inspirierte Schriftsteller aus dem Schwäbischen in der Belanglosigkeit, manchmal gelingen ihm wunderbare Metaphern, die uns seine Anti-Helden auf eine sehr schöne, indirekte Weise näherbringen.

Im Verlauf nimmt der Roman deutlich Fahrt auf, macht neugierig und überrascht. Ich freue mich schon auf Martin von Arndts nächstes Werk.

Bewertung: ****


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