Die vielen Leben eines Jahrhundertkünstlers

Barney Hoskyns „Tom Waits – Ein Leben am Straßenrand“, 704 Seiten, 24,95 €, Heyne, ISBN: 978-3453266339;

Tom_Waits

Meine erste Begegnung mit Tom Waits war vor rund einem Vierteljahrhundert ein Film: „Down by Law“ von Jim Jarmusch. In dem Stummfilm spielte Tom Waits jene Rolle, die ihn berühmt gemacht hatte, die des liebenswürdigen,exzentrischen Vagabunden. Seitdem treffen wir beide immer wieder aufeinander – und jetzt mit dieser Biografie des Londoner Musikjournalisten Barney Hoskyns.

Die Biografie ist unautorisiert – natürlich. Tom Waits, gerade 60 geworden, hält, wie ich ihn in einem Radiointerview sagen hörte, solche Werke für schlichtweg überflüssig. Verständlicherweise, denn der Künstler lebt auch von der Aura des Unbekannten, des Geheimnisvollen. Und trotzdem liest sich dieses Werk absolut authentisch.

Waits ist ein famoser Geschichtenerzähler. Das betrifft seit Jahrzehnten auch immer die Fragen zu seiner Person. Der Antiheld, der unter der Brücke wohnt – dieses Bild revidiert Hoskyns, ohne dem Sänger und Musiker, Theatermann und Schauspieler seinen Charme zu nehmen. Oder wie Waits 1977 in einem Interview sagte: „Die Öffentlichkeit ist ein wildes Tier. Es ist besser, sie nicht allzu gut zu füttern.“

Tom Waits Leben hatte viele Brüche. Die Jazz-Legenden Bing Crosby und Louis Armstrong waren seine ersten Helden, später dann die 68-er Ikonen Jack Kerouac und William S. Burroughs, dazu Whisky und Zigaretten. Das Image des Außenseiters stand und steht dem Schlacks mit der Brummelstimme hervorragend.

Aber es gibt auch noch den anderen Tom Waits, der weit mehr ist als der Schöpfer grandioser Alben wie „Rain Dogs“ (meine erste LP in den 80-er Jahren) und „Swordfishtrombones“: Der Ehemann und Vater, der viele Jahre als Angestellter von David Geffen, für den er Filmmusiken komponiert.

Frank Zappa und Francis Ford Coppola, Bette Midler und Jack Nicholson lässt Hoskyns über ihren alten Freund Waits sprechen (andere wie Jim Jarmusch oder Elvis Costello wollten nicht reden) und versucht dadurch dem Menschen Tom näher zu kommen. Das kann nur mikt Abstrichen gelingen, solange der Held des Undergrounds sein „Leben am Straßenrand“ nicht selber erzählt.

Trotz dieses Makels bietet die Biografie viele spannende Einblicke in das Leben eines der größten Künstler der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhundert. Noch heute setzt Tom Waits Akzente. Vor wenigen Wochen erschien „Glitter & Doom Live“, das Album zur aktuellen Tournee. Siehe da: Von Ruhestand ist Tom Waits weit entfernt.

Bewertung: *****



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2 Gedanken zu „Die vielen Leben eines Jahrhundertkünstlers

  1. Danke für den Buchtipp! Wird gleich auf die Anschaffungsliste gesetzt. Kleine Korrektur am Rande: Down by law ist zwar ein Schwarz-Weiß-, aber kein Stummfilm.
    Schönen Jahreswechsel für Euch!

  2. Herzlichen Dank Andreas, Du hast Recht. Schwarz-weiß ja, stumm nein – englisch mit Untertiteln. Lohnt sich mal wieder reinzuschauen in Roberto Benignis legendäres: „My mother cuaght a rabbit“ …

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