Sie haben’s gewusst, schon vor dem Sieg über Hitler

Jan Karski „Mein Bericht an die Welt – Geschichte eines Staates im Untergrund“, 528 Seiten, 28 €, Kunstmann, ISBN: 978-3888977053;

Sage keiner, die Welt hätte nicht Bescheid gewusst über das Wüten der Deutschen in den besetzten Ostgebieten, über Holocaust und Völkermord. Jan Karski berichtete den Alliierten schon 1942/43 darüber, was er als polnischer Widerstandskämpfer gesehen und erlebt hat. Noch vor Kriegsende, 1944, erschien sein Tatsachenbericht „Story of a secret State“ und wurde in den USA ein Bestseller. In Deutschland wollte man davon nach Kriegsende allerdings nichts wissen, und so erschien das Buch erst dieses Frühjahr auf deutsch.

Die letzten zwei Drittel seines Lebens verbrachte Karski als Politikprofessor in Washington. Geprägt aber haben ihn die fünf Jahre vor seinem 30. Geburtstag, als er als junger Offizier der im deutschen Blitzkrieg zerschlagenen polnischen Armee in den Untergrund ging. Die Sowjets, denen er in die Hände fällt, liefern ihn an die Deutschen aus, doch Karski gelingt es zu fliehen. Das klingt nicht nur wie ein Thriller, es ist auch einer.

Karski war als Kurier der polnischen Exilregierung unterwegs, er ließ sich ins Warschauer Ghetto einschleusen und ins Vernichtungslager Isbica Lubelska, wo er sich als ukrainer Wärter getarnt hatte. Über all das, was er sah, informierte er schon 1943 die britische und die amerikanische Regierung. Sie hörten ihm zu, aber sie taten nichts, außer, dass sie ankündigten, den Krieg zu gewinnen.

Noch 1978, als Claude Lanzmann für seinen Firm „Shoah“ Karski interviewte, äußerte der sich verbittert über die Nicht-Reaktion der Alliierten. 1944 konnte er nicht mehr nach Polen zurück. Er war enttarnt worden. Daraufhin dokumentierte er das Erlebte in einem Buch, ausgehend vom Kriegsbeginn 1939. Wichtig ist ihm dabei nicht, objektiv zu sein oder jedes Detail zu schildern. Wichtig ist ihm, so wahrheitsgetreu wie möglich zu schreiben.  Unter enormen Zeitdruck und „wie in Trance“ hat er sein Bericht niedergeschrieben – und geriet doch in Vergessenheit.

In dem Interview, das er Lanzmann gab, sagte der Katholik: „Bei Kriegsende sagte man mir, weder die Regierungen noch hochrangige Politiker, weder Wissenschaftler noch Schriftsteller hätten vom Schicksal der Juden gewusst. […] Die Ermordung von sechs Millionen Juden war ein Geheimnis geblieben. […] Da bin ich Jude geworden, ein christlicher Jude.“  

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