Vielfalt statt Angrenzung

Zafer Senocak „Deutschsein – Eine Aufklärungsschrift“, 180 Seiten, 16 €, Edition Körber, ISBN: 978-3896840837;

Die Veröffentlichung dieses Buchs hat wohl nichts mit der Sarrazin-Debatte von vorigem Herbst zu tun, aber jene mal verlogene, mal irritierende Diskussion wird durch diese andere Perspektive ergänzt. Was ist „Deutschsein“? Und: Welche Rolle spielt die Aufklärung, jene Epoche, die uns eigentlich freier gemacht haben soll?

Eigentlich hat ja schon das Sommermärchen anno 2006 alles geändert. Plötzlich war es en vogue, Flagge zu zeigen, sich zu seiner (multiethnischen) Nationalmannschaft zu bekennen und deutsche (Sport-)Erfolge zu feiern. Der türkischstämmige Wahl-Berlner Zafer Senocak diagnostiziert gleichwohl eine Sprachlosigkeit der Deutschen im Umgang mit ihrer Herkunft.

Statt anzuerkennen, welchen Reichtum Vielfalt bietet, wird nur der anerkannt, der sich möglichst umfassend an die deutsche Leitkultur anpasst. Die Angst vor dem Fremden scheint uns angeboren und kulturell gehegt. Ist das notwendig? Senocak sagt Nein und ermahnt seine Mitbürger, sich ihrer Stärken zu beginnen und ihrer jahrhundertealten Tradition der Aufklärung.

Der Schriftsteller und Journalist, der schon für viele wichtige Medien geschrieben hat, sagt: „Worum es mir geht, die Perspektive auch zu lenken auf die aufnehmende Gesellschaft, nicht nur auf die Einwanderer. Wie definiert sie sich? Hat sie überhaupt eine Definition? Wie tritt sie auf? Welche Geschichten bringt sie mit sich? Also das versuche ich eigentlich ein bisschen mit zu thematisieren.“

Senocak hebt nicht den Zeigefinger, er ermuntert uns zu mehr Selbstvertrauen und Gelassenheit, zu mehr Vernunft in der Debatte um Zuwanderung und Zuwanderer. Als „Gebrochen deutsch“ umreißt er den Seelenzustand der verspäteten Nation. Und er erteilt den Marktschreiern eine Absage – über die Sprache. Seine Argumentation ist alles andere als schlicht, sein Umgang mit Worten ist es auch nicht. Und dann bedient er sich auch noch der Dichter und großen Schriftsteller als Zeugen für seine Thesen. Gelungen.

Bewertung: ****

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