Der erhobene Zeigefinger auf die glatten Oberflächen

Adam Soboczynski „Glänzende Zeiten: Fast ein Roman“, 224 Seiten, 16,95 €, Aufbau, ISBN: 978-3351033200;

Und wieder ein Journalist, der sich ans große Format traut. Es ist der Bildungsbürger, der geschniegelte, hedonistische Großstädter, an den sich Adam Soboczynski, preisgekrönter Feuilletonredakteur der Wochenzeitung „Die Zeit“ herangemacht hat, der eigene Leser also irgendwie. Nur sollte man nicht den Fehler machen, den Ich-Erzähler, der sich in 29 Kapiteln über Themen wie „Stolz“, „Rauchen“ und „Magie“ seine Gedanken gemacht hat, mit dem Autor zu verwechseln. „Fast ein Roman“ ist eine Betrachtung.

Wir leben in einer Welt, in der alles passt. Man raucht nicht mehr, man lässt die Finger vom Alkohol, man ist treu (außer man hat etwas anderes mit dem Partner vereinbart). Sport gehört zum Tagesablauf und ohne Helm setzt sich keiner aufs Fahrrad, dass innerstädtisch das Auto längst abgelöst hat, dank 18 Gängen und Scheibenbremsen. Alles gut, also?

Soboczynskis Ich-Erzähler ist nicht dieser Meinung: „Die Anzahl der Lokale, die ich ab und an aufsuche, ist zusammengeschrumpft auf ein paar ganz wenige, in denen man noch trinken und rauchen darf. Natürlich gibt es Bars, in denen man nur trinken darf und die einigermaßen gut besucht sind, nur geht man schon der Besucher wegen nicht dorthin, die, wie jeder weiß, von unglaublicher Langeweile und behäbiger Gewöhnlichkeit sind. Und natürlich verderben dort die Kinder, die neuerdings überall hin mitgebracht werden, da sie sich in derartigen Etablissements langweilen und herumzetern, die Stimmung.“

Der 1975 in Polen geborene Literaturwissenschaftler und Journalist ist ein glänzender Stylist, einer der Sprache in Witz verwandelt, und der die Absurditäten unseres modernen Lebens, den glänzenden Schein zu persiflieren versteht. Ein Buch, das mir gut gefallen hat, bis auf die etwas überhebliche Attitüde, dieses Sich-über-die-anderen-Erheben, diese Arroganz über eine Gesellschaft mit und in der man lebt.

Bewertung: ****

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