Journalismus im Wandel

Journalismus im Wandel. Kaum eine andere Branche erlebt die Folgen der digitalen Revolution so stark wie jene, die sich als Print-Journalisten bezeichnen. Und kaum eine andere Berufsgruppe leugnet diesen Wandel in weiten Teilen so wie die Redakteure. Doch die Herausforderungen sind groß. Eine Reihe von Neuerscheinungen befasst sich mit der neuen Realität. Es geht um praktische Tipps, um Anforderungen an die Führung von Redaktionen und um die Erschließung neuer Zielgruppen.

Vorgestellt werden:

Christian Sauer/Ulf Grüner „Qualitätsmanagement in Redaktionen“ (Books on Demand);
Michael Schröder/Axel Schwanebeck „Qualität unter Druck – Journalismus im Internet-Zeitalter“ (Nomos);
Kirsten Annette Vogel „Führung.Macht.Medien“
(Oberauer);
Ralf Hohlfeld u. a. (Hrsg.) „Crossmedia – Was bleibt auf der Strecke
“ (Lit);
Anne Weibert „Ein Ganzes im lokalen Rahmen – Vom integrativen Potenzial der Lokalberichterstattung in Deutschland und den USA“ (Herbert von Halem);
Moritz „Mo“ Sauer „Blogs, Video & Online-Journalismus“ (O’Reilly);
Anton Simons „Journalismus 2.0“ (UVK);
Michael Haller/Lutz Mükke „Wie die Medien zur Freiheit kamen“ (Herbert von Halem);
Michael Bechtel/Volker Thomas „Schreiben über Technik“ (UVK)

Lesen Sie mehr:

Christian Sauer/Ulf Grüner „Qualitätsmanagement in Redaktionen“, 356 Seiten, 36,90 €, Books on Demand, ISBN: 978-3839172490;

Noch immer werden in den meisten Medienhäusern jene zu Chefs, die sich vorher an der journalistischen Front bewiesen haben, also die besten Rechercheure, die besten Kommentarschreiber oder auch Korrespondenten aus Washinfton, Berlin und Tokio. Dass für das Führen einer Redaktion aber ganz andere als die fachlichen Qualitäten gefragt sind, müssen die Kollegen dann erst mühsam lernen – oder sie scheitern daran.

Dies zu vermeiden, bietet dieses Buch einige gute Tipps und Techniken. Es geht um Alltägliches wie die Blattkritik und die Themenfindung, aber auch um Qualitätsmanagement und um die dafür notwendige interne Kommunikation, die „Selbstklärung“ auf der inneren Bühne und um Mitarbeitergespräche.

Autor Ulf Grüner arbeitet schon seit vielen Jahren als Journalistenberater im Bereich Crossmedia, ebenso wie sein Co-Autor, der Journalist und Coach Christian Sauer. Für das Vorwort des im Eigenverlag erschienen Werks konnten die beiden den renommierten Journalistik-Professor Volker Lilienthal gewinnen – auch ein Indiz für die Qualität des vorgelegten Werks.

Bewertung: *****


=====================================================

Michael Schröder/Axel Schwanebeck „Qualität unter Druck – Journalismus im Internet-Zeitalter“, 183 Seiten, 19,80 €, Nomos, ISBN: 978-3832960551;

Das oberbayerische Tutzing ist so etwas wie eine Kaderschmiede des deutschen Journalismus: Die Akademie für Politische Bildung unterhält hier seit vielen Jahren ein Aus- und Weiterbildungsprogramm für Journalisten. Geleitet wird dies von Dr. Michael Schröder. In Zusammenarbeit mit der benachbarten Evangelischen Akademie finden regelmäßig bemerkenswerte Tagungen zur Gegenwart und Zukunft des Journalismus statt. Die wichtigsten Beiträge von zwei dieser Tagungen, „Qualität unter Druck“ im Dezember 2009 und „Umbrüche in der Medienlandschaft“ im Juli 2010, sind in diesem Sammelband dokumentiert.

Renommierte Journalisten und Medienwissenschaftler Stephan Weichert, Stephan Russ-Mohl und Volker Lilienthal äußern sich zu den Perspektiven des Krisen geschüttelten Brancehn, dazu Praktiker wie Hans-Jürgen Jakobs, der ehemalige süddeutsche.de-Chef und jetzige Wirtschaftsressort-Leiter der Süddeutschen Zeitung, Jens Jessen von der „Zeit“, Sissi Pitzer vom Bayerischen Rundfunk und die Fernsehjournalistin Sonia Seymour Mikich.

Ein lesenswerter Sammelband, die Warnung Schröders zum Schluss seines Vorworts ist ernst zu nehmen: „Wenn Qualität im Journalismus dauerhaft verloren geht, verliert auch unsere freiheitlich-demokratische Gesellschaftsordnung eine wesentliche tragende Säule.“ Noch gibt es Hoffnung.

Bewertung: ****

=====================================================

Kirsten Annette Vogel „Führung.Macht.Medien“, 176 Seiten, 24,90 €, Oberauer, ISBN: 978-3901227349;

Dieses Buch habe ich mir gekauft, weil es Verleger Johann Oberauer („Medium-Magazin“) so eindringlich in einer Mail empfohlen hat. Aber ich wurde in meinen hohen Erwartungen enttäuscht wie selten: So ein chaotisches, überflüssiges Buch habe ich selten gelesen und mich trotzdem bis zum Ende durchgequält.

„Es geht darum, dass wir die Angst vor der Wahrheit verlieren. Dass wir begreifen, dass jede Art von Führung in Medien Auswirkungen auf unsere Gesellschaft hat“, heißt es – alles und nichtssagend – im Klappentext.

Ich habe nichts gezogen aus diesem Buch, keine Handlungsanweisungen, nur viele Platitüden gelesen, die ich an dieser Stelle nicht erwartet hätte. Dazu sind Übungen dargestellt, die eine Herangehensweise wie in einem Seminar erfordern und für den gewöhnlichen Leser völlig ungeeignet erscheinen.

Auch wenn ich über die Autorin Kirsten Annette Vogel, die Leiterin des TOP.IfM Institut für Medienprofis, schon viel Gutes gehört habe, dieses Buch hätte sie sich besser gespart – und Johann Oberauer mir auch. Aber ich hätte gewarnt sein können: In der Diskussionsrunde beim Forum Lokaljournalismus im Januar in Waiblingen blieb Frau Vogel auch unglaublich blass.

Bewertung: **

=====================================================

Ralf Hohlfeld u. a. (Hrsg.) „Crossmedia – Was bleibt auf der Strecke, 350 Seiten, 29,90 €, Lit, ISBN: 978-3643105578;

Noch ein Crossmedia-Buch: Prof. Ralf Hohlfeld, seit 2008 Leiter des Lehrstuhls für Kommunikationswissenschaft an der Uni Passau, hat in diesem Sammelband Vorträge und Ergebnisse der von ihm und seinen Mitarbeitern veranstalteten Medientage 2009 zusammengefasst. Theoretiker und Praktiker haben hier ihr Wissen zusammengetragen, von dieser Vielfalt lebt das Buch.

Für den leidvollen Blick in die USA, wo es der Branche wirtschaftlich schlecht geht wie sonst nirgends auf der Welt, sorgt die inzwischen in Friedrichshafen lehrende Sonja Kretzschmar, die als Mitglied des Projektteams Lokaljournalismus der Bundeszentrale für politische Bildung auch die Verhältnisse in Deutschland gut kennt.

Gabriele Goderbauer-Marchner, ehemalige Geschäftsführerin des Mediencampus Bayern und erst kürzlich an der CSU gescheitert im Kampf um die Führung der Bayerischen Landeszentrale für Neue Medien, hat darüber nachgedacht, wie Crossmedia und Qualitätsjournalismus zusammenpassen. Christian Jakubetz, einer der bekanntesten Medien-Blogger, nähert sich dem Thema von der Seite des Praktikers.

Beleuchtet wird Crossmedia aus der Sicht der Fotografen, des Radios und des Fernsehens. Es geht um Ausbildung, gesellschaftliche Konsequenzen und der inzwischen in Dortmund lehrende Klaus Meier beleuchtet die Chancen mehrkanaliger Newsdesks in Zeitungshäusern.

Ein Sammelband, der vieles was schon bekannt ist, gut zusammengefasst und einen interessanten Ausblick bietet.

Bewertung: ****

=====================================================

Anne Weibert „Ein Ganzes im lokalen Rahmen – Vom integrativen Potenzial der Lokalberichterstattung in Deutschland und den USA“, 128 Seiten, 17 €, Herbert von Halem, ISBN: 978-3938258811;

In Deutschland leben rund 15 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund. Eine Zielgruppe, die sich bisher kaum eine Zeitung erschlossen hat (eigentlich keine). Warum? In den Medien kommen bis auf einige öffentlich-rechtliche Vorzeigeprojekte die Themen, die die „Ausländer“ bewegen selten bis nie vor. Neu ist ein Trend, dass Medienhäuser gezielt Migranten in den Redaktionen beschäftigen.

Ist das der richtige Weg? Anne Weibert hat darüber in ihrer Diplomarbeit am Journalistikinstitut der TU Dortmund geforscht und dazu die Berichterstattung und die Konzepte von Lokalzeitungen in Dortmund und Denver verglichen. Während sich die Amerikaner gezielt um Hispanics bemühen, steckt dies in Deutschland noch in den Kinderschuhen. Obwohl Zeitungen eine wichtige Aufgabe erfüllen könnten, in dem sie unterschiedliche Kulturen zusammenführen.

Die Untersuchung offenbart vor allem Defizite: Lokalzeitungen in Deutschland repräsentieren vor allem die traditionelle Mehrheitsgesellschaft. Die Journalisten müssen Integration aktiv betreiben, damit etwas passiert, damit es eine Chance gibt, Migranten auch als Kunden zu gewinnen.

Eine interessante, längst überfällige Studie, die ein bisschen daran krankt, dass sie nur die Verhältnisse in jeweils zwei Zeitungen in Deutschland und USA vergleicht.

Bewertung: ****


=====================================================

Moritz „Mo“ Sauer „Blogs, Video & Online-Journalismus“, 402 Seiten, 24,90 €, O’Reilly, ISBN: 978-3897219731;

Wenn die von mir hoch geschätzte Kollegin Ulrike Langer in ihrem Blog Medial Digital ein Buch empfiehlt, dann muss ich es lesen. Ich habe es nicht bereut. Mo Sauers Handbuch hat mir viele, auch praktische Tipps geliefert, mit denen ich unter anderem diesen Blog nach meinen Vorstellungen verbessern konnte.

Das auch für Anfänger bestens lesbare Werk führt Schritt für Schritt in die Welt von Wordpress ein, erläutert die Programmierung und zeigt, wie man selber am Innenleben schrauben kann. Ob Blogs oder Videos oder Online-Journalismus generell, gerade für gelernte Printjournalisten wie mich finden sich ungeahnt viele Tipps, die mir den Einstieg in Internetpublizistik erleichtern.

Ein nutzbringendes Handbuch, dass ich aus vollem Herzen empfehle.

Bewertung: *****

=====================================================

Anton Simons „Journalismus 2.0“, 236 Seiten, 29,90 €, UVK, ISBN: 978-3867641166;

Und noch ein Handbuch, geschrieben von einem Praktiker: Anton Simons arbeitete 17 Jahre lang, bis 2009, bei der Rheinzeitung in Koblenz. Dieses Medienhaus hat in den vergangenen Jahren am konsequentesten in Deutschland die Weiterentwicklung von Zeitung und Online, vor allem im Bereich der sozialen Netzwerke, betrieben.

Auch wenn der Einstiegssatz von Simons mich eher verschreckt hat („Die Massenmedien erleben derzeit ihren größten Umbruch seit der Erfindung des Buchdrucks“), weil ich diesen Gemeinplatz nicht mehr hören oder lesen kann, so liefert Simons doch einen umfassenden Überblick über die Veränderungen der zu Medienhäusern mutierten einstigen Zeitungsverlage.

Kompetent geschrieben und gut recherchiert ist dieses Handbuch, dessen lesenswerteste Thesen sich mit der Verknüpfung von professionellem Journalismus und sozialen Netzwerken befasst. Wichtig ist, dass der gelernte Printjournalist immer wieder betont, dass das Web 2.0 kein Ableger der klassischen Medien ist, sondern etwas ganz Neues, ein Medium, das neue Arbeitsweisen verlangt und die Menschen ganz anders anspricht.

Indem Simons auch die verschiedenen Formen crossmedialen Zusammenspiels am Newsdesk beleuchtet, bietet er Fachleuten und Praktikerin auch einige Hinweise auf neue Kooperationsformen. Die alles entscheidende Frage, wie sich das verbreiterte Spektrum journalistischer Kanäle dauerhaft finanzieren lässt, beantwortet Simons nicht, natürlich nicht. Sonst hätte er dieses Buch wohl nicht geschrieben, sondern wäre längst ein reicher Mann geworden.

Bewertung: ****


=====================================================

Michael Haller/Lutz Mükke (Hrsg.) „Wie die Medien zur Freiheit kamen“ , 263 Seiten, 24 €, Herbert von Halem, ISBN: 978-3869620343;

Auch 20 Jahre nach der Wiedervereinigung sind die ostdeutschen Bundesländer anders – anders in ihrem Medienverhalten. Das liegt nicht nur daran, dass es nach der Wende kaum Zeitungsneugründungen gab, die bis heute überlebt haben, und die Nachfolger der einstigen Bezirkszeitungen ihre alten Monopole unter neuen (westdeutschen) Eigentümern verteidigt haben. Nein, die Menschen in der ehemaligen DDR ticken einfach anders.

Prof. Michael Haller, einstiger Spiegelreporter und seit 1993 – inzwischen ist er emeritriert – Journalistikprofessor an der Uni Leipzig (das Vorgängerinstitut zu DDR-Zeiten war als „Rotes Kloster“) bekannt, hat den Wandel der ostdeutschen Medienlandschaft aus erster Hand miterlebt: Das andere Werteerleben in den neuen Bundesländern, die neuen westdeutschen Chefredakteure, die sich umstellen mussten, und Einschnitte wie den „Fall Sebnitz“, in dem die inzwischen tradierten Vorurteile in eine handfeste Medienaffäre mündeten.

In 13 Beiträgen, die vor allem von ehemaligen Studenten Hallers geschrieben wurden, die heute vielfach in ostdeutschen Medienhäusern arbeiten, werden die Entwicklungen nachvollzogen, der Wandel des journalistischen Rollenbilds ebenso wie das Bild Ostdeutschlands in westlichen Medien und der spezifische Umgang mit dem Rechtsradikalismus.

Ein Buch, das über Deutschland hinaus interessiert. Als ich vergangenen November in Minsk/Weißrussland Lokaljournalisten schulen durfte, interessierte die sich besonders dafür, wie der Übergang zu demokratischen Medien in der ehemaligen DDR funktionierte. Jetzt habe ich dafür auch eine theoretische Grundlage.

Bewertung: *****

 

=====================================================

Michael Bechtel/Volker Thomas „Schreiben über Technik“, 233 Seiten, 24,90 €, UVK, ISBN: 978-3867642873;

Meistens passt es nicht zusammen: Entweder jemand kennt sich mit Technik aus und vermag dieses Wissen nicht zu vermitteln, oder jemand schreibt gut, versteht aber technische Zusammenhänge zu wenig. Am Ende jedenfalls steht in den meisten Medien eine Technikberichterstattung, die für den laienhaften Leser ungeeignet ist. Die beiden erfahrenen freien Journalisten Michael Bechtel (Bad Honnef) und Volker Thomas (Berlin) wollen daran unbedingt etwas ändern und haben ein Handbuch vorgelegt.

Technik prägt unser Leben, das ist der Grundansatz der beiden Autoren, und darum muss sie auch für jedermann vermittelt werden können. Dabei geht es nicht darum, bis zur Unkenntlichkeit zu vereinfachen, wichtiger ist es, Bezugspunkte zum Alltag zu finden.

Darum haben Bechtel und Thomas auch einen, wie sie es nennen, „prozessorientierten Ansatz“ gewählt und zerlegen die journalistische Arbeit in Einzelschritte, von der Idee bis zum Manuskript. Dabei fangen sie wirklich ganz von vorne an, bei der Frage nämlich wie Lesen funktioniert und mit welcher Einstellung der Journalist herangehen muss.

Es folgen die Recherche, die Frage nach Bericht oder Reportage, der Einstieg in den Text, die richtigen Formulierungen und ganz zum Schluss die selbstkritische Prüfung mit einer Checkliste zur Textoptimierung und einem Bekenntnis zum Vieraugenprinzip, also zum Gegenlesen.

Ein gutes Handbuch. Wer’s beachtet, tut sich und seinen Lesern viel Gutes.

Bewertung: ****



Diesen Beitrag bookmarken bei Diese Icons verlinken auf Bookmark Dienste bei denen Nutzer neue Inhalte finden und mit anderen teilen können.
  • MisterWong
  • Y!GG
  • Webnews
  • del.icio.us
  • Facebook
  • Technorati
  • Google Bookmarks
  • YahooMyWeb
  • TwitThis

2 Gedanken zu „Journalismus im Wandel

  1. Pingback: Stimmen der Presse | halemblog

  2. Pingback: Stimmen der Presse

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert