Monolog aus kriegerischen Zeiten

Mathias Énard „Zone“, 588 Seiten, 28 €, Berlin, ISBN: 978-3827008862;

An diesem Buch kann man sich tatsächlich abarbeiten: Ein Monumentalwerk von knapp 600 Seiten, ohne Punkt, aber mit vielen Punkten – angelegt an Homers „Ilias“ miit 24 Kapiteln (statt Gesängen). Und wie die Ilias ist es ein Werk über den Krieg und dessen Gräuel, in diesem Fall den Jugoslawienkrieg. Schauplatz ist ein Zugabteil auf einer Bahnreise von Mailand nach Rom.

Der Held (der keiner ist) hat einen Pass auf den Namen Yvan Deroy. Ein gestohlener Name, denn Deroy befindet sich in der Psychiatrie, aber Francis Servain Mirkovic, wie er bwirklich heißt, hofft vergeblich auf Katharsis. Aufgewachsen in multinationalen, geordneten Verhältnissen diente er als Freiwilliger in Jugoslawien und als Zuträger des französischen Geheimdienstes.

Auf der Zugfahrt erzählt er das Erlebte, die Geschehnisse und Tragödien im Bruderkrieg auf dem Balkan. Er kennt die Namen der Kriegsverbrecher, deren Taten, die tausenden Toten des Mordens und legt in seine Schilderungen eine fast antike Wucht und springt in den Erklärungen von Krieg zu Krieg, von Mussolini über Beirat bis zu dem Algerienkrieg, in dem schon sein Vater folterte – ein Monolog der Unmenschlichkeit.

Ein Täter spricht: „Ich bin ein Wilder, brutal und roh, der trotz all der zivilisierten Klamotten, die man ihn anziehen läßt, und all der Bücher, die er gelesen hat, ein primitiver Wilder bleibt, fähig einem Unschuldigen die Kehle durchzuschneiden, eine Frau zu erwürgen“ und fordert doch Absolution durch die Opfer: „Also blieb nur noch ein zusammengekauertes nacktes Kind übrig, das nach seiner Mutter oder seinen Brüdern rief“.

Schwere Kost, eine Aufarbeitung, wie sie sich selten ein Schriftsteller anmaßt. Hier ist es geglückt.

Bewertung: *****



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