Schirrmacher in der digitalen Falle

Frank Schirrmacher „Payback“, 240 Seiten, 17,95 €, Blessing, ISBN: 978-3896673367;

Eines muss man Frank Schirrmacher lassen: Er hat ein Gespür für große Themen. Ob das vor ein paar Jahren der angebliche Rassismus gegen Alte war („Methusalem-Komplott“) oder jetzt die Überforderung durch Multitasking und das Internet. Aber wen wundert’s, als FAZ-Herausgeber vertritt der 50-Jährige natürlich das lineare Lesen. Übrigens, der Münchner Hirnforscher Prof. Ernst Pöppel behauptete neulich: Auch fürs Leben ist das Gehirn nicht gemacht.

Schirrmacher versteht sich als Debattenmacher. Er will Themen setzen. Und das gelingt ihm. Sein vor acht Monaten erschienenes Buch hat einen Fokus auf eine Kehrseite der digitalen Revolution gerichtet, unser Sklavendasein, gefangen von den Ständig-online-sein-müssen-Standards, die E-Mails, SMS, Handy, Twitter, Facebook & Co. (angeblich) setzen. Immer mehr Menschen wehren sich mit Verweigerung.

Dieser Journalist ist kein Nerd, er fühlt sich überfordert von der 24-Stunden-Informationsflut. Seine Konzentrationsfähigkeit lasse mitunter nach, er sei vergesslich und habe Probleme, Informationen einzuordnen. Er habe Angst, so Schirrmachers Kernthese, am Ende gar die Kontrolle über sich selbst zu verlieren.

Tatsächlich teilen viele Menschen diese Sorgen, vor allem jene, die im analogen Zeitalter sozialisiert wurden und jetzt mit einer Revolution konfrontiert sind, in der was heute neu ist, morgen schon wieder von gestern.

In kurzen – durchaus internetaffinen – und sehr gut lesbaren Kapiteln offeriert Schirrmacher seine Thesen und untermauert sie mit den Ergebnissen wissenschaftlicher Studien. In der Anamnese ist der Journalist sehr gut, in der Therapie weniger. Tatsächlich bringt sein Buch keine Lösungsideen, wie wir aus der digitalen Überforderung herauskommen.

Geht vielleicht auch nicht. Denn für die effektivste Methode müssen wir uns selber überwinden. Jedes Gerät hat schließlich einen Aus-Schalter. Und der verspricht das, was Schirrmacher gerne möchte: Muße.

Bewertung: ***



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Ein Gedanke zu „Schirrmacher in der digitalen Falle

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