Menschlichkeit hat keinen Platz mehr

John Burnside „Glister“, 288 Seiten, 19,95 €, Knaus, ISBN: 978-3813503494;

glister

Solche Szenarien kennt man als Filmfreund: Eine entmenschlichte Welt, geprägt durch die giftigen Hinterlassenschaften von Industriebetrieben. Aber dieser kafkaeske, an tschernobylischen Ängsten reiche Roman spielt in einer nicht definierten Jetztzeit, in Schottland. Und wenn man dem sprachbegabten John Burnside eins partout nicht absprechen kann, dann ist es eine ausgeprägte Fantasie, diese Geschichte realitätsnah zu erzählen.

Im Mittelpunt steht Leonard, ein 15-jähriger Bursche, ausgestattet mit einer (männlichen) Attraktivität, die für dieses Alter ganz und gar ungewöhnlich erscheint, aber vor allem ist er der einzige Mensch in diesem psychisch ausgedörrten Milieu von Arbeitslosen und Resignierten.

In dieser nicht näher benannten Stadt sind die Leute entweder arbeitslos oder krank oder beides. Auch die Natur ist sterbenskrank und bringt seltsame Mutationen hervor – im Umfeld einer Chemiefabrik, die zwar längst stillgelegt ist, aber immer noch das Leben (oder das was davon übrig blieb) bestimmt.

„Manche Jugendliche schaffen es nicht einmal bis zu ihrem zwanzigsten Lebensjahr.“ Und andere verschwinden einfach aus „Innertown“, wie der schreckliche Ort heißt. Niemand hat die Jungen mehr gesehen, außer der Ortspolizist Morrison, ein ehemaliger Scherge des Systems, der den zugerichteten Leichnam eines der Jugendlichen fand, aber niemandem davon erzählte.

Leonard hingegen, aus dessen Perspektive der überwiegende Teil der Geschichte erzählt wird,  macht sich auf die Suche und dabei spielt auch der titelgebende „Glister“ eine große Rolle …

Dieser post-zivilisatorische Roman erinnert mich in seiner Heftigkeit an Cormac McCarthys „Die Straße“, auch wenn dessen Ästethik die Kargheit ist und Burnside auf opulente Bilder setzt.

Bewertung: ****

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