Die Promenade der russischen Erinnerung

Véronique Olmi „Die Promenade“, 240 Seiten, 18,90 €, Antje Kunstmann, ISBN: 978-3888975523;

olmi1

Promenade des Anglais, so heißt die bekannteste Uferstraße in Nizza. Außer Engländern und Franzosen flanieren hier seit fast 100 Jahren auch Russen – Flüchtlinge der bolschewistischen Revolution 1917. Ihren Erinnerungen und ihren Nachkommen hat die fabelhafte Véronique Olmi ihren neuesten Roman gewidmet.

Das schmale Büchlein „Nummer 6“ um ein verlorenes Kind war meine erste Begegnung mit Olmi. Damals schon, wie vor zwei Jahren bei „Ihre Leidenschaft“, faszinierte mich ihre einfache, messerscharfe Sprache. Sie ist es auch nun wieder, die mich an „Die Promenade“ fasziniert.

Erzählt wird eine Familiengeschichte von geradezu universeller Bedeutung, eine Geschichte des 20. Jahrhunderts. Es geht um ein Emigrantenschicksal, wie es so viele gegeben hat im Jahrhundert der beiden großen Kriege.

Mascha Sergejewna, die „Babushka“ der13-jährigen Sonja, hat auch nach Jahrzehnten im französischen Exil ihre Heimat das zaristische Russland im Herzen. Und sie lebt im Glauben, dass die im gleichen Jahr geborene,  jüngste Zarentochter Anastasia das Gemetzel an ihrer Familie überlebt hat. Woche für Woche schreibt sie darum Briefe an den Chefredakteur einer französischen Geshcihts-Zeitschrift.

Sonja, aus deren Erleben heraus diese schwierige Familienbeziehung erzählt wird,  hasst das Leben mit der die Gegenwart verleugnenden Großmutter. Und doch ist sie der einzige Mensch, der sich wirklich um sie kümmert, nachdem die Mutter nach Paris abgehauen ist.

Doch dann zerbricht die isolierte Welt der Babushka, als die alte Frau stürzt und ins Krankenhaus muss. Sonja begreift, dass sie deren Erbe fortführen muss und übernimmt das Vermächtnis der Mascha, die ihr ihre Geschichte nun ein letztes Mal erzählt.

Für die behütete Sonja bedeutet dies den Sprung ins Erwachsenenleben, den Sprung in eine eigene Identität. „Irgendetwas sagte mir, dass ich bald an der Reihe sein, dass ich bald ein Recht auf mein eigenes Leben haben würde, dass mich eine Menge neuer Erlebnisse erwarteten. […] Ich habe meiner Kindheit den Rücken gekehrt und sie nie wieder angesehen.“

Unbedingt lesenswert!

Bewertung: *****

Short URL for this post: http://bit.ly/akaOrX
Diesen Beitrag bookmarken bei Diese Icons verlinken auf Bookmark Dienste bei denen Nutzer neue Inhalte finden und mit anderen teilen können.
  • MisterWong
  • Y!GG
  • Webnews
  • del.icio.us
  • Facebook
  • Technorati
  • Google Bookmarks
  • YahooMyWeb
  • TwitThis
Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Roman von Joachim. Setze ein Lesezeichen zum Permalink.

Über Joachim

Es gibt auch lesenswerte Bücher, die nicht in den Spiegel- und Focus-Bestsellerlisten auftauchen. Ein paar davon findet ihr hier. Lest selbst ...

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert