Istanbul in all seiner Zerrissenheit

Börte Sagaster/Manfred Heinfeldner „Istanbul – Ein literarische Einladung“, 137 Seiten, 15,90 €, Wagenbach, ISBN: 978-3803112538;

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Der moslemische Stadtteil Fatih ist vom westlichen Beyoglu so weit entfernt wie Kabul und New York. Räumlich natürlich nicht, da sind es nur ein paar Kilometer, aber kulturell liegen Welten dazwischen. Es gibt kaum eine Stadt auf der Welt, die so vielfältig ist wie Istanbul. Die beiden Herausgeber dieses lesenswerten Büchleins zeigen dies mit literarischen Mitteln.

Manchmal sind es Gedichte, in einer eigentümlich metaphorischen Sprache, dann wieder Erlebnisberichte oder poetische Liebeserklärungen. Eins aber ist allen Autoren dieser Anthologie gemein: Die Stadt am Bosporus berührt sie.

Börte Sagaster und Manfred Heinfeldner schlagen nicht nur eine Brücke durch die Stadtteile der 16-Millionen-Metropole, sondern auch durch die Zeiten, einige ihrer QAutoren sind schon Jahrzehnte tot und lassen den Leser in längst vergangene Epochen dieser sich rasend schnell verändernden Stadt blicken.

Gehört die Türkei in die EU? Diese Frage beantwortet das Buch nicht, es stellt sie auch nicht. Denn es fragt nicht danach, wo Istanbul steht. Viele Quartiere sind so westlich wie in jeder anderen europäischen Großstadt und andere vermutete man eher in Arabien.

So zeigen die Schriftsteller, deren Texte zum Teil erstmals auf deutsch erscheinen, die Relike osmanischer Herrlichkeit genauso wie aktuelle politische Probleme im Krieg zwischen alten Eliten und neuen Denkrichtungen, die dieses Land nicht nur zu zerreißen drohen, sondern dessen Faszination ausmachen.

Die beiden Autoren habendie Texte  jedenfalls mit Bedacht zusammengestellt. Offensichtlich kennen sie sich in der türkischen Literatur genauso gut aus wie in den Straßen von Istanbul.

Die Turkulogin und Islamwissenschaftlerin Börte Sagaster, 1962 geboren, unterrichtet heute türkische Literatur an der University of Cyprus in Nikosia, zuvor arbeitete sie unter anderem am Zentrum Moderner Orient in Berlin und am Orient-Institut in Istanbul. Mit-Herausgeber Manfred Heinfeldner (57) ist Journalist.

Ein schönes Buch für jene, die nicht nur Istanbul, sondern auch die Türkei näher kennenlernen wollen. Wirklich politisch ist die „literarische Einladung“ indes nicht.

Bewertung: *****

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