Sprücheklopfer, Weiberheld und ein genialer Verleger

Hans-Peter Schwarz „Axel Springer“, 736 Seiten, 26 €, Propylaen, ISBN: 978-3549072462;

Zufall? Nein, gewiss nicht: Just im 40. Jahr der Studentenunruhen brachte der Historiker Hans-Peter Schwarz eine Biografie über das Feindbild Nummer 1 der 68er heraus: „Enteignet Springer“ lautete der Schlachtruf. Warum Axel Springer so war wie er war, erklärt der vormalige Adenauer-Biograf in dieser bestens recherchierten Lebensgeschichte.

„Mein Name ist Axel Springer, Sohn reicher Eltern“,  so pflegte sich der junge Axel, Sproß einer kleinen Zeitungsverleger-Familie in Hamburg-Altona, vorzustellen. Und als er nach Kriegsende von britischen Offizieren gefragt wurde, ob er im Dritten Reich verfolgt worden sei, soll er gesagt haben:  „Eigentlich nur von den Frauen!“

Sprücheklopfer, Weiberheld, das sind nur zwei der Attribute für den genialen Verleger, der mit großen unternehmerischen Geschick (und der nötigen Portion Glück) einen der größten Medienkonzerne Europas aufbaute. Mit „Bild“ setzte er auf dem Boulevard Maßstäbe, und mit der „Welt“ gönnte er sich als Hobby ein konservatives Qualitätsblatt – eine „Richtungszeitung“.

Axel Springer war ein Mann extremer Widersprüche. Seine dunkle Seite vererbte er wohl auch an seinen erstgeborenen Sohn weiter. Der brachte sich 1980 um. Springer war ein „kalter Krieger“, der das sozialistische Moskauer Imperium und die deutsche Teilung zutiefst ablehnte.

Nicht umsonst baute er seine Konzernzentrale direkt an die Berliner Mauer – Provokation und Mahnung zugleich. Den Zusammenbruch des Ostblocks erlebte er allerdings nicht mehr. Springer starb 1985 im Alter von 73.

Viele Biografen haben sich an „Axel Cäsar“ probiert. Seine Witwe Friede Springer, Ehefrau Nummer 5, öffnete aber erst Historiker Schwarz das Privat- und die Firmenarchive. So schafft er es,  Springers Leben schlüssig darzustellen.

So viel positiver als andere Autoren Schwarz den „Mammutverleger“ schildert, so kritisch ist auch dieses Bild. Etwa der religiöse Spleen Springers, dessen Launenhaftigkeit und dessen grandiose Selbstüberschätzung, als er beispielsweise 1958 in Moskau dem Kreml die deutsche Einigung abtrotzen wollte.

Bei aller Bewunderung für Axel Springer gibt Schwarz die Distanz nie auf. Das zeichnet diese hervorragende Biografie aus. Sie ist Zeitgeschichte pur.

Bewertung: *****

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