Vom Spießerkind zum „Gottvater des Punk“

Paul Trynka „Iggy Pop“, 528 Seiten, 29,90 €, Rogner & Bernhardt, ISBN: 978-3807710396 (erhältlich bei www.zweitausendeins.de);

James Osterberg jun. ist schon 61, er hatte bisher ein bewegtes Leben, und darum sind 520 Seiten Biografie durchaus okay. Schon gar, wenn man weiß, das Osterberg als Iggy Pop bekannt ist oder schlicht als „Gottvater des Punk“. Ein ungewöhnliches Werk über einen ungewöhnlichen Musiker.

Akribisch recherchiert hat Paul Trynka , Redakteur der Musikzeitschrift Mojo, das Leben des unverwüstlichen Idols. Er hat hunderte Gespräche geführt mit ehemaligen Managern, mit befreundeten (oder auch nicht) Musikern, mit Ex-Frauen, Roadies und Schulkameraden. All das ergibt ein sehr differenziertes Bild, aber am Ende bleibt das Klischee: Sex, Drogen und Rock’n’Roll.

Um diese drei Vokabeln kreist das Leben des Iggy Pop, eines größenwahnsinnigen Rockstars. Osterberg hingegen ist der intellektuelle, nette Kerl von nebenan beschrieben wird. Eine Geschichte wie Dr. Jekyll und Mr. Hyde – irgendwie. Über dessen Freundschaft mit David Bowie sagte Paul Trynka in einem Fernsehinterview:

„Iggy war der Typ von Künstler, der David gerne gewesen wäre. Bowie hat sein Handwerk gelernt und Leute studiert. Iggy handelte dagegen instinktiv und dachte nicht nach. So machte er es auch auf der Bühne. Wenn man Bowie auf der Bühne beobachtet, erkennt man, wie sein Gehirn arbeitet. Bei Iggy passiert alles unbewusst und ist mehr eine physische Handlung.“

Die Freundschaft der beiden hat die Musik vorangebracht. In den 70er Jahren lebten Bowie/Pop zusammen in Berlin – und hatten eine gute Zeit, wie Iggy seinen Biografen erzählt hat: „Ich lebte von Koks, Hasch, Rotwein, Bier und deutscher Wurst, ich hatte meine eigene kleine Bude, und ich schlief auf einer Pritsche und duschte kalt.“

Trynka hat vieles ausgegraben, das kaum zu glauben ist. So war der junge Osterberg ein strebsamer Knabe, Schülersprecher und wollte Präsident der USA werden. Damit räumt er mit Iggys eigener Legende auf. Der hatte sich immer als perspektivloser Außenseiter dargestellt – klingt ja auch besser.

Faszinierend wie der Journalist das Wirken von Iggy Pop und seiner legendären band „The Stooges“ in den musikgeschichtlichen Kontext stellt und eine Linie zieht zu den Doors, Bob Dylan, Velvet Underground und anderen Schrittmachern.

Natürlich lässt Trynka auch Iggys Sexualleben nicht aus. Der Mann war aktiver als heutzutage gesund ist. Über dessen Promiskuität, die Vorliebe für junge Mädchen und dessen Bisexualität (siehe David Bowie) wusste man schon in den 70er Jahren Bescheid.

Ein Wunder, dass der Mann noch lebt.

Wer Julien Temples Film über Joe Strummer („The Future is unwritten“) mag, dem wird auch dieses Buch gefallen.

Bewertung: *****

Short URL for this post: http://bit.ly/9CiCuK
Diesen Beitrag bookmarken bei Diese Icons verlinken auf Bookmark Dienste bei denen Nutzer neue Inhalte finden und mit anderen teilen können.
  • MisterWong
  • Y!GG
  • Webnews
  • del.icio.us
  • Facebook
  • Technorati
  • Google Bookmarks
  • YahooMyWeb
  • TwitThis

Ein Gedanke zu „Vom Spießerkind zum „Gottvater des Punk“

  1. Pingback: Lauter Lesenswertes » Blog Archiv » Bowie prägte Berlin, Berlin prägte Bowie

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert