Leben und Vergehen im Rausch des Meeres

John Banville, „Die See“, 224 Seiten, 17,90 €, Kiepenheuer & Witsch, ISBN: 978-3462037173;

banville.gif

Wahre Erzähler sind in der heutigen Literatur selten geworden. Sie gelten als altmodisch, langsam – Schriftsteller wie Martin Mosebach in Deutschland und der Ire John Banville. Sein 18. Roman ist ein schmaler Band, aber ein sehr kompakter. Der Autor wurde dafür 2006 mit dem renommierten Man Booker Prize ausgezeichnet.

Banville erzählt eine Geschichte von Liebe und Trauer aus der Perspektive des Kunsthistorikers Max Morden, kein sympathischer Mann, ein Kauz, leicht verschroben, Ich-bezogen. Anna, seine Frau, ist gerade an Krebs gestorben.

Max Morden sucht Trost auf den Spuren seiner Kindheit, in dem irischen Badeörtchen Banville, wo er als Kind erste Erfahrungen mit Sexualität gemacht hatte. Max war elf, als er Chloe kennenlernte. Er erinnert sich an sie, an die Jahre mit Anna und das in einer Tiefe und Intensität, die die Leser mitnimmt, aber auch fordert.

Banvilles Sprache ist dicht. Er sieht und beschreibt alles nur Wahrnehmbare. Er ist ein Meister der Verschachtelungen, der Nebensätze. Banvilles Held ist fasziniert von den Dingen – und von deren Fehlern. Er beschreibt Gefühle in einer selten erlebten Klarheit, elegant, manchmal kalt, dann wieder manieriert. Christa Schuenke ist die Kunst einer kongenialen Übersetzung gelungen.

Zitat, ein Satz nur: „Nein, es war ein komplizenhaftes, ein verschwörerisches Zwinkern, fast wie bei den Freimaurern, als hätte dieser Augenblick, den wir, zwei Fremde, der eine ein Erwachsener, der andere ein Junge, miteinander geteilt hatten und der, rein äußerlich betrachtet, keinen tieferen Sinn, keinen Inhalt besaß, dennoch etwas zu bedeuten.“

Zu all dieser Detailversessenheit passt das öffentliche Auftreten Banvilles. Der Mann pflegt sein Flegel-Image. Bevor er den Booker-Prize zugesprochen kam, verriss er erst mal den ebenfalls hochdekorierten Kollegen Ian McEwan. Und in seiner Dankesrede sagte er, dass die Jury endlich mal ein Kunstwerk ausgezeichnet habe. Scheint so, als habe großes Können einen hohen Preis.

Bewertung: *****

Short URL for this post: http://bit.ly/8Zj7Gz
Diesen Beitrag bookmarken bei Diese Icons verlinken auf Bookmark Dienste bei denen Nutzer neue Inhalte finden und mit anderen teilen können.
  • MisterWong
  • Y!GG
  • Webnews
  • del.icio.us
  • Facebook
  • Technorati
  • Google Bookmarks
  • YahooMyWeb
  • TwitThis
Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Roman von Joachim. Setze ein Lesezeichen zum Permalink.

Über Joachim

Es gibt auch lesenswerte Bücher, die nicht in den Spiegel- und Focus-Bestsellerlisten auftauchen. Ein paar davon findet ihr hier. Lest selbst ...

Ein Gedanke zu „Leben und Vergehen im Rausch des Meeres

  1. Pingback: Lauter Lesenswertes » Blog Archiv » Bocken, rätseln, foppen: So ein Buch gibt’s nur einmal

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert